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Die Märkerschaft Feldkirchen – 500 Jahre gelebte Waldtradition am Mittelrhein

Die Märkerschaft Feldkirchen – 500 Jahre gelebte Waldtradition am Mittelrhein Einleitung Mitten am Mittelrhein, zwischen Neuwied und Linz, gibt es etwas, das heute fast wie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten wirkt – und doch höchst lebendig ist: die Märkerschaft Feldkirchen. Diese Waldgemeinschaft, deren Wurzeln bis ins späte Mittelalter zurückreichen, bewirtschaftet noch heute gemeinschaftlich über…


Die Märkerschaft Feldkirchen – 500 Jahre gelebte Waldtradition am Mittelrhein

Einleitung

Mitten am Mittelrhein, zwischen Neuwied und Linz, gibt es etwas, das heute fast wie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten wirkt – und doch höchst lebendig ist: die Märkerschaft Feldkirchen. Diese Waldgemeinschaft, deren Wurzeln bis ins späte Mittelalter zurückreichen, bewirtschaftet noch heute gemeinschaftlich über 300 Hektar Wald. Was einst als bäuerliches „Weistum“ begann, hat sich über 500 Jahre hinweg erstaunlich modern gehalten – und erzählt eine Geschichte von Gemeinschaft, Nachhaltigkeit und Beständigkeit.

Von Bauernbünden und Weistümern

Die Ursprünge der Märkerschaften liegen in bäuerlichen Zusammenschlüssen, die schon in der Merowingerzeit entstanden. Auch wenn sie nicht überall den gleichen Namen trugen, hatten sie ein gemeinsames Ziel: die gerechte Nutzung und Bewirtschaftung gemeinsamer Wald- und Flächenressourcen.

1494 wurde die Märkerschaft Feldkirchen erstmals urkundlich erwähnt. Ihr „Weistum“ regelte schon damals, wie der Wald zu pflegen sei – darunter die Nachzucht von Buchen und Eichen. Strenge Vorschriften stellten sicher, dass Holz nicht zum Handelsobjekt wurde, sondern gerecht verteilt und nachhaltig genutzt werden konnte.

Ein charmantes Detail: Für die Begutachtung des Holzbedarfs war als Gebühr „ein halbes Viertel Stamm Wein“ fällig – ein Hinweis darauf, dass die Märker nicht nur Waldbauern, sondern auch Winzer waren.

Selbstverwaltung und klare Regeln

Die Märker organisierten sich demokratisch: zweimal im Jahr fanden Märkergerichte („Geding“) statt, bei denen Funktionäre gewählt, Verstöße geahndet und Waldumgänge durchgeführt wurden. Selbst hochgestellte Persönlichkeiten – wie der Fürst zu Wied – hatten im Wald keine Sonderrechte, sondern mussten sich an die Regeln halten.

Besonders bemerkenswert: Artikel 25 des Weistums regelte die Pflicht zur Pflanzung neuer Bäume. Damit war die nachhaltige Waldwirtschaft in Feldkirchen bereits Jahrhunderte vor den ersten staatlichen Forstordnungen festgeschrieben.

Die Märker heute

Noch immer zählt die Märkerschaft Feldkirchen rund 300 Familien, die in den vier „Märkerdörfern“ Fahr, Gönnersdorf, Hüllenberg und Wollendorf ansässig sind. Wer auswärts wohnt, behält zwar sein Recht, kann es aber nicht ausüben.

Bis heute findet die Hauptversammlung der Märker jedes Jahr am ersten Samstag im September statt – nicht mehr unter der alten Gerichtseiche in Wollendorf, sondern an der Gerichtslinde neben der Feldkirche. Dort, unter freiem Himmel, treffen sich die Märker, wählen ihre Vorsteher und führen ihre Geschäfte.

Ein lebendiges Stück Geschichte

Die Märkerschaft Feldkirchen ist eine der letzten ihrer Art in Deutschland. Ihre über Jahrhunderte bewahrte Satzung, zuletzt 1962 redaktionell überarbeitet, wirkt noch immer modern und zeigt, dass Tradition und Fortschritt kein Widerspruch sein müssen.

Wer heute durch die Wälder am Linzer Höhenrückens wandert, bewegt sich also nicht nur durch Natur, sondern auch durch ein lebendiges Kapitel Rechts- und Sozialgeschichte – ein Stück gemeinschaftlicher Kultur, das bis in unsere Zeit reicht.

Quellenhinweis:
Dieser Beitrag basiert auf:
Bruno Zeitz, „Die Märkerschaft Feldkirchen“, erschienen in der Allgemeinen Forst Zeitschrift (AFZ), 29. August 1994. Redaktionell überarbeitet von Markus Wunsch.


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